Digitalisierung in Zeiten von Corona. Und danach?

Karin Mar • Sept. 19, 2020

Der Vorgesetzte, Kollege und Geschäftsfreund nur ein Tastendruck entfernt. Wie nachhaltig beeinflusst Corona das geschäftliche Kommunikationsverhalten?




Lange schon bemängelte man die schleppende Digitalisierung von Unternehmen, insbesondere in kleinen und mittelständischen Firmen. Industrie 4.0 war eines der Schlagworte. Die Kommunikation sei in Zukunft digital, so stand es in den Zeitungen. Andere Länder seien Deutschland gegenüber meilenweit voraus. Dennoch tat man sich schwer in den Unternehmen.

 

Mit Einberufen der Kontaktsperre änderte sich schlagartig das Verhalten. Digitale Kommunikationsmittel mussten heran. Zunächst wurde das zuvor anrüchige Home-Office zum Standardarbeitsplatz vieler, und die Kommunikation erfolgte über Audio- und Videoverbindungen.

 

In neue digitale Medien investiert wurde jedoch weiterhin nur mäßig. Vielmehr nutzte man großenteils vorhandenes Equipment. Mitarbeiter begeistert von der Möglichkeit der freieren Arbeitseinteilung und haufenweise Tipps an Führungskräfte zur Führung von Remote-Teams halfen, das alles weiterhin gut funktionierte.

 

In international vernetzten Unternehmensgruppen gehörten Kommunikation und Führung aus der Ferne allein durch Matrixstrukturen oftmals zum Alltag. Dennoch gab es auch hier regelmäßige persönliche Meetings, die Corona-bedingt nun wegfielen. Und man stellte fest, dass die modernen Tools ein Verfolgen jedes einzelnen Teilnehmers in guter Qualität ermöglichen.

 

 

Wird das Büro in Zukunft überflüssig?


Arbeiten unabhängig von einem Arbeitsplatz, birgt viele Vorteile. Der Weg zur Arbeit entfällt, Autobahnen und Straßen sind frei, weniger Umweltbelastung durch Abgase. Zudem gibt es keine Kollegen, die mal eben etwas wissen wollen und auch die Zeiteinteilung ist frei gestaltbar und lässt sich gut mit privaten Aufgaben verbinden. Insofern stellt sich die Frage, ob der Arbeitsplatz im Unternehmen notwendig bleibt.

 

Ein reizvoller Gedanke für all diejenigen, die bislang entfernt von Wohnort und Familie arbeiten und als Wochenendpendler Stunden wertvoller Zeit auf der Autobahn verbringen. Arbeiten vom Home-Office für das Unternehmen der Wahl, ganz gleich, wo es seinen Sitz hat.

 

Bislang war dies vorwiegend dem Regionalvertrieb vorbehalten. Die Forderung nach einem Home-Office Arbeitsplatz gibt es schon seit langem auch aus anderen Funktionen. Doch scheuten sich die Unternehmen bislang vor solchen Regelungen und boten ein Home-Office im Anschluss an eine Reise, um dann nicht nochmal ins Büro zu kommen oder für ein bis zwei Tage, um ungestört eine Aufgabe zu erledigen.

 

Nicht jeder eignet sich für die Arbeit von Zuhause und nicht jeder hat geeignete Räumlichkeiten für ein effektives Arbeiten. Viele derer, die nach einem Home-Office fragten, haben dies nicht berücksichtigt. Doch Corona konnte zeigen, dass das Home-Office nicht nur Vorteile bringt. Der Schwatz unter Kollegen, das Gefühl, nicht genügend Hintergrund-Informationen zu erhalten, das Alleinsein und nicht zuletzt die Befürchtung, karrieremäßig schlechter voranzukommen. Eine Menge Mitarbeiter lernten so, das Büro und die Kollegen wieder zu schätzen, als es endlich zurück ins Unternehmen ging.

 

Nach den Erfahrungen der letzten Monate ist man in den Unternehmen offen geworden für das Thema Home-Office. Das bedeutet nicht, dass jeder Mitarbeiter nur noch von Zuhause aus arbeitet. Doch könnte hiermit dem individuellen Arbeitsrhythmus der Mitarbeiter mehr Freiheit zugesprochen werden, was Mitarbeiter motiviert und Unternehmen attraktiv macht.

 


Die Führungskraft als Coach des dezentralen Teams.


Für Führungskräfte ändert sich die Arbeit durch das Führen von verstreuten Teams. Auch eine Führungskraft hat den Beruf nicht gewählt, um Führungskraft zu werden, sondern vielmehr aus Interesse an der jeweiligen Materie. Mit Übernahme von Führungsaufgaben verlagern sich die Schwerpunkte der Fach- und der Führungsaufgaben mehr in Richtung organisatorischer Aufgaben. Mit Remote-Teams wird die soziale Komponente der Führung noch weiter verstärkt.

 

Die meisten Führungskräfte bezeichnen sich als gute Führungskraft mit kooperativem Führungsstil. Doch wenn man einen Mitarbeiter selten sieht ist ein Empfinden für seine Situation nötig, um ihn dauerhaft zu motivieren und das Gemeinsamkeitsgefühl aufrecht zu erhalten. Dies wird bei der Führung aus der Ferne gern übersehen. Genau das zeigt auch unsere Umfrage in 2019 zum idealen Unternehmen mit deutlichen Unterschieden in der Zufriedenheit der Mitarbeiter mit der Führungskraft im Vertrieb – also bei dezentraler Führung – und anderen Funktionen mit Führung von präsenten Teams.

 


Bringt die Erfahrung mit Corona nun Veränderungen?

 

Niemand kann in die Zukunft schauen. Aber es häufen sich Tendenzen, dass man sich der digitalen Kommunikation stärker öffnet als bisher.

 

Das Home-Office ist kein Tabu mehr und ermöglicht Gestaltungsspielraum für Mitarbeiter und Unternehmen. Zugleich hat Corona auch in Bezug auf Meetings gelehrt, dass digitale Plattformen für Konferenzen und Notizen bestens geeignet sind. Vor allem vor dem Hintergrund der enormen Kosten- und Zeitersparnis wird dies auch für die Zukunft stärker genutzt werden. Auch das nützt der Umwelt und dem Geschäft. Denn die Zeit, die zuvor bei Reisen sprichwörtlich auf der Strecke blieb, kann für weitere Geschäfte genutzt werden. Doch wie bei der Führung von Remote-Teams ist auch hier der soziale Kontakt und das persönliche "Sich zeigen" nicht zu vernachlässigen. Insbesondere im Kontakt mit Kunden bringt persönliche Präsenz ein Mehr an menschlicher Ausstrahlung als beim digitalen Fernkontakt und damit stärkeres Vertrauen und Verbindlichkeit.

 

In Zukunft werden Geschäftsreisen nicht vollends verschwinden, doch stark eingeschränkt.

 

 

* Die generisch maskulinen Begriffe gelten für alle Geschlechter gleichermaßen.


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